17. Juni 2022

Ökologische Auswirkungen von Materialien im Möbelbereich

Aus was besteht ein kreislauffähiges Produkt?

Werkstoffe spielen in einer Kreislaufwirtschaft – nicht nur in der Möbelherstellung – eine zentrale Rolle. Sie müssen aus sicheren Inhaltsstoffen hergestellt sein und kontinuierlich in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Die richtige Materialwahl ist entscheidend, damit Verschwendung vermieden und das Materialmanagement optimiert werden können. Machen wir uns also mit Materialien vertraut!

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Holz und Holzwerkstoffe

Holz ist einer der wichtigsten Werkstoffe in der Möbelproduktion. Zum Einsatz kommen Vollholz und als Holzwerkstoffe wie z.B. Verbundplatten. Prinzipiell ist Holz ein nachhaltiger Werkstoff, der natürlich ist und nachwächst.

Probleme ergeben sich durch den illegalen Holzschlag, insbesondere in Urwäldern. Daher sollten gewisse Hölzer (z.B. Tropenholz) vermieden und Holz aus heimischen, regionalen Wäldern bevorzugt werden.

Holzwerkstoffe sind in der Regel umweltschonender als Vollholz, da hier meist Rest- oder Abfallholz zum Einsatz kommt. Allerdings können Sie durch die Verleimung der in der Platte enthaltenen Fasern Formaldehyd enthalten (in geringen Mengen kommt Formaldehyd auch natürlich in Holz vor). Es können Formaldehyd-Dämpfe entstehen, die als krebserregend gelten. Zudem beeinflussen diese oft erdölbasierten Stoffe die CO2-Bilanz des Materials negativ.

Holz ermöglicht eine sogenannte Kaskadennutzung: Es kann über Furnier- (z.B. Sperr- und Schichtholz), Span- oder Faserwerkstoffe vollständig verwertet werden oder ein zweites Leben bekommen. Problematisch dabei sind die verwendeten Kleber (Formaldehyd) und der unkontrollierbare Chemiemix aus den verwendeten Althölzern (z.B. durch Oberflächenbehandlung). Die ökologische Bewertung fällt dabei sehr unterschiedlich aus (Ökobilanz - Holz und Holzwerkstoffe).

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Kunststoff

Kunststoff hat Mitte des 20. Jahrhunderts das Möbeldesign revolutioniert. Kunststoff ist erschwinglich, leicht, pflegeleicht und beliebig formbar. Da Kunststoff meist auf fossilen Rohstoffen basiert, entstehen Umweltbelastungen vor allem durch die Rohölproduktion. Aber auch die Verarbeitung ist nicht zu unterschätzen, dazu mehr im Carbon Footprint for Plastics der ETH Zürich. Um die weitere Ausbeutung fossiler Rohstoffe zu verhindern ist es sinnvoll, mit rezyklierten Rohstoffen zu arbeiten. Recyclingkunststoffe können die Umweltbilanz im Vergleich zu Primärrohstoffen um 30 bis 50 % verbessern. Möbel werden häufig noch nicht rezykliert, da sie oft aus verklebten Verbundstoffen bestehen und entsprechende Rückführungsprozesse fehlen.

Um ein Recycling der eingesetzten Kunststoffteile zu ermöglichen, sollten diese möglichst sortenspezifisch gekennzeichnet sein. So können die Materialien erkannt, sortiert und damit optimal rezykliert werden. Zusatzstoffe oder eine Vermischung von Kunststoff mit anderen Materialien können das Recycling be- oder sogar verhindern.

Kunststoffprodukte können auch aufgrund der verwendeten Inhaltstoffe aus ökotoxikologischer Sicht problematisch sein, da sie z.B. nicht für den Hautkontakt geeignet sind oder giftige flüchtige organische Verbindungen (VOC) an die Innenluft abgeben können. Materialien aus rezyklierten Kunststoffen haben dasselbe Problem. Allgemein gilt der Grundsatz – je weniger komplex die chemische Zusammensetzung desto besser. Kunststoffe sowie auch andere Materialien müssen eine bestimmte Leistung aufweisen (z. B. Sonnenschutz, Resistenz der Oberfläche, Reissfestigkeit, etc.). Dafür werden zu den Rohpolymeren oft Additive beigemischt, die (wie z.B. UV-Stabilisatoren) giftig sein können.

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Metalle

Möbel(-teile) aus Metall sind sehr langlebig, halten grossen Belastungen stand und sind in der Regel gut rezyklierbar, sie gehen aber auch mit einem hohen ökologischen Fussabdruck einher. Gewinnung und Nutzung von Eisenerzrohstoffen bedeuten stets Inanspruchnahme grosser Flächen (für Abbau und Abraum), Stoffverlagerungen und Energieverbrauch. Da Eisenerz ausschliesslich im Ausland gefördert und dort meist auch zu Roheisen verarbeitet wird, fallen im Lieferland bereits bedeutende Umweltbelastungen an. Im Vergleich zu wenig gehaltvollen Erzen wie Kupfer oder Aluminium ist der „ökologische Rucksack“ bei Roheisen kleiner. Nebst Roheisen spielt heute bei der Stahlerzeugung der Schrottanteil eine wesentliche Rolle. Stahlkonstruktionen mit 100% Schrottanteil (Rezyklat) benötigen lediglich ca. 30-50% an grauer Energie gegenüber solchen aus Eisenerz. Zudem lässt sich Stahl problemlos und beliebig oft rezyklieren, ohne dass die Stahlqualität beeinträchtigt wird: Nachhaltiges Bauen.

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Oberflächenbehandlung

Der Anspruch an Oberflächen im Möbelbereich ist hoch. Sie sollen möglichst immer so aussehen wie am ersten Tag und müssen daher resistent gegen mechanische Einwirkungen (Kratzer) und Flüssigkeiten sein. Die für die Oberflächen eingesetzten Produkte sind in Bezug auf Gewicht und Ressourcenverbrauch pro Möbelstück fast irrelevant. Relevant jedoch ist die Auswirkung der Oberflächenbehandlung auf die Innenraumluft, die Kreislauffähigkeit der Komponente, die Nutzungsdauer und die Entsorgung.

Oberflächen können mit Ölen, Wachsen, Lasuren und Lacken veredelt werden. Diese Produkte können eine Vielzahl an chemische Inhaltstoffen beinhalten. Bestimmte Inhaltstoffe können giftig sein und flüchtige organische Verbindungen (VOC) wie Formaldehyd in die Raumluft ausgasen. Der Einsatz von gesundheitsbelastenden Lacken oder Leimen in Möbeln kann die Gesundheit der Nutzer:innen schädigen und auch bei der Entsorgung zu Umweltbelastungen führen.

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Textilien

Textilien werden in der Möbelherstellung vorwiegend als Bezugsstoffe eingesetzt. Die negativen Umweltauswirkungen sind uns in erster Linie aus der Modeindustrie bekannt. Wie bei Bekleidung gilt es, auch bei Bezugsstoffen auf Langlebigkeit zu achten. Ein guter Indikator sind hier die in Martindale* angegebenen «Scheuertouren» (Test zu Abrieb und Verschleiss), diese starten bei 10’000 Touren für den privaten Gebrauch. Im öffentlichen Gebrauch geht man von einer Untergrenze von 20’000 bis zu 100’000 Touren aus. Auch die Lichtechtheit und Pilling (Knötchenbildung) sind Messkriterien.

*Die Martindale-Methode ist das am häufigsten genutzte Verfahren, um die Scheuerbeständigkeit von textilen Stoffen, insbesondere Polsterstoffen, zu bestimmen.

Erneuerbare Rohstoffe: Pflanzenfasern (z.B. Baumwolle, Leinen oder Mischgewebe) bringen die Umweltthemen der Landwirtschaft, wie Pestizideinsatz, Wasser- und Landverbrauch, Monokulturen, Bodenerosion und Konkurrenz zum Lebensmittelanbau mit sich. In der konventionellen Landwirtschaft werden Pflanzenschutz- und Düngemittel teilweise in grossen Mengen eingesetzt. In der biologischen Landwirtschaft wird der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sehr restriktiv gehandhabt. Flachs (Leinen) kann in Europa angebaut werden und braucht viel weniger Wasser und Pestizide als Baumwolle und weist einen höheren Flächenertrag auf.

Regeneratfasern: Fasern wie Viskose, Modal und Lyocell (bspw. TENCEL® von Lenzing AG) sind aus nachwachsenden Rohstoffen (Eukalyptus-, Buchen-, Pinienholz, Bambus, etc.) über chemische Prozesse hergestellt. Dabei besteht ein Risiko, dass die verwendeten Pflanzen in Monokulturen angebaut werden und dadurch z.B. der Grundwasserspiegel sinkt. Die Herstellung von Regeneratfasern erfolgt über einen chemischen Prozess und kann mit einem hohen Energie- und Chemikalieneinsatz einhergehen.

Fossile Rohstoffe: Synthetische Kunstfasern wie z.B. Polyester werden aus Erdöl hergestellt. Die Mehrheit der Umweltbelastung entsteht bei der Rohölproduktion und bei der energieintensiven Herstellung der Fasern. Die Herstellung von synthetischen Fasern ist energieintensiver als die Herstellung von Baumwollfasern, geht jedoch mit einem geringeren Wasserverbrauch einher.

Die in der Textilindustrie eingesetzten Materialien (z.B. Prozesschemikalien) können Schadstoffe enthalten. Dafür gibt es ergänzende Listen und definierte Vorgehensweisen wie z. B. die ZDHC-Initiative.

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Leder

Leder wird ebenfalls in erster Linie als Bezug eingesetzt. Leder können aufgrund ihrer grossen Oberfläche und ihrer langen Lebensdauer eine wesentliche Quelle für Schadstoffe in Innenräumen sein. Schadstoffe, die die Gesundheit und Umwelt belasten, stammen in der Regel vom Gerbprozess und von der Konservierung des Leders. Umweltlabel (z.B. Blauer Engel) unterstützen die Auswahl von emissionsarmen Produkten. Vermehrt werden auch alternative Gerbstoffe angeboten (z.B. C2C zertifizierter Gerbstoff von Wet Green aus Oliven.

Vegane Lederalternativen (resp. Kunstleder) basieren häufig auf Kunststoffen und bringen so die Problematik von Additiven (wie z.B. Weichmachern) mit sich. Mittlerweile entstehen aber auch vermehrt innovative Produkte z.B. auf Basis von Mycel.

Klebstoffe und Leime

Klebstoffe und Leime werden zur Herstellung von Verbundstoffen (z.B. Holzplatten) und zur Verbindung von Komponenten eingesetzt. Hier könnten Klebstoffe und Leim oft auch durch Steck- oder Schraubverbindungen ersetzt werden.

Klebstoffe und Leime können z. B. Formaldehyde enthalten. Formaldehyd kann über die Raumluft in die Atemwege gelangen. Es gilt als krebserregend, hautsensibilisierend und ist möglicherweise ein Mutagen.

Bisher bestehen Klebstoffe und Co. meist aus duroplastischen Epoxidharzen auf Erdölbasis, also Kunstharzen, die sich, einmal erwärmt, nicht mehr verformen lassen. Als Bausteine für diese Epoxidharze dienen Monomere. Gibt man einen Härter hinzu, vernetzen sich die Einzelmoleküle zu einem festen Kunststoff, der sich nicht mehr aufschmelzen lässt. 

Neue Klebstoffe bzw. Klebverbindungen können gezielt gelöst werden, um eine Reparatur, den Rückbau sowie das Recycling der Komponente zu ermöglichen (z.B. Hersteller DSM Niaga). 

Verpackungsmaterial

Verpackungsmaterialien können bis zu 6% der negativen Umweltauswirkungen eines Möbelstücks ausmachen. Zur Verpackung werden in der Regel Pappe, Papier und Kunststoffe (z.B. in Form von Folien, Netzen, Styropor) eingesetzt. An erster Stelle sollten unnötige Verpackungen vermieden werden. Falls Verpackung unbedingt erforderlich ist, sollte auf Wiederverwendbarkeit geachtet werden. Die eingesetzten Materialien sollten möglichst rezykliert, rezyklierbar oder aus erneuerbaren Ressourcen sein. In vielen Fällen bieten sich auch Mehrwegverpackungen an. Jedes Verpackungsmaterial sollte einfach und von Hand in verwertbare Bestandteile zerlegbar sein.

 

Autorin: Eva Bucherer, Circular Business Models

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